Iliopsoas: Schlüsselmuskel für Körper, Psyche & Atmung
- Bodymind Therapy
- vor 7 Tagen
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Der Iliopsoas verkürzt sich oft durch wiederkehrende oder anhaltende Belastungsmuster: langes Sitzen, Stress, unbewältigte emotionale Erfahrungen, fehlende Bewegungsvielfalt oder anhaltende Schutz- und Haltemuster. Auch frühe Prägungen, wie Bindungsunsicherheit oder traumatische Erlebnisse, können dazu führen, dass der Iliopsoas dauerhaft in Alarmbereitschaft bleibt – oft unbewusst und tief verankert im Körpergedächtnis.
Der Iliopsoas entwickelt sich schon vor der Geburt und ist einer der ersten Muskeln, der ein Gefühl von Körpergrenze und innerem Selbst vermittelt. In den ersten Lebensmonaten wird er durch kleine Bewegungen im Becken aktiviert und unterstützt das grundlegende Erleben von Sicherheit, Dasein und Zugehörigkeit.
Während des Krabbelns und Aufrichtens in der frühen Kindheit hilft er, ein klareres Gefühl von Autonomie und innerer Kraft zu entwickeln. Zwischen drei und sechs Jahren spielt er eine zentrale Rolle bei der Integration von Herz- und Sexualenergie, wenn das Kind beginnt, Nähe, Intimität und Ich-Grenzen bewusster wahrzunehmen. Psychologisch unterstützt der Iliopsoas in allen Phasen die Entwicklung von Selbstwahrnehmung, Zentrierung, Beziehungsfähigkeit und Verbundenheit, und er trägt wesentlich dazu bei, ob jemand in sich ruht oder zu Rückzug, Überanpassung oder Kontrollmustern neigt.
Diese tief verankerten psychosomatischen Funktionen machen deutlich, warum sich Spannungen im Iliopsoas nicht nur auf die Haltung, sondern auch auf das emotionale Erleben und die Beziehung zum eigenen Körper auswirken können.
Atmung unter Druck
Ein verkürzter Iliopsoas verändert die Stellung der Lendenwirbelsäule und kippt das Becken nach vorn. Diese Veränderung beeinflusst nicht nur das Skelettsystem, sondern auch das Zwerchfell, unsere zentrale Atemmuskulatur. Das Zwerchfell sitzt direkt oberhalb des Iliopsoas, und beide Strukturen sind über Faszien und nervale Bahnen miteinander verbunden.
Wenn das Becken kippt, entsteht häufig ein verstärktes Hohlkreuz – die Zwerchfellkuppel verliert Raum, sich beim Einatmen nach unten zu entfalten. Die Bauchatmung wird flach, das Atemvolumen verringert sich. Als Reaktion aktiviert der Körper die Atemhilfsmuskulatur im Brustkorb und Nacken. Das kann zu Spannungen im oberen Rücken, Verspannungen im Kiefer oder Kopfschmerzen führen – oft unbewusst und unterschätzt.
Nervensystem in Alarmbereitschaft
Der Iliopsoas umschließt den Plexus lumbalis, ein zentrales Nervengeflecht im unteren Rücken, das unter anderem den Sympathikus beeinflusst – jenen Teil des vegetativen Nervensystems, der mit Stress, Wachsamkeit und Anspannung verbunden ist.
Ein dauerhaft verspannter Iliopsoas kann diesen Bereich reizen oder über die Faszien kontinuierlich aktivieren. Der Körper reagiert mit einem subtilen, aber dauerhaften Stressmodus: schnellere Atmung, innere Unruhe, erhöhter Puls, Schlafstörungen. Es entsteht ein Teufelskreis, in dem sich Spannung, flache Atmung und nervliche Überreizung gegenseitig verstärken.
Auswirkungen auf den ganzen Organismus
Die Folgen reichen weit über Bewegung und Atmung hinaus. Die Körperhaltung verändert sich – das Becken kippt, der Brustkorb schiebt sich nach vorn, der Nacken gleicht aus. Daraus können funktionelle Beschwerden entstehen: Rückenschmerzen, Verdauungsprobleme, emotionale Dysregulation.
Auch das Gefühl für den eigenen Körper – die sogenannte interozeptive Wahrnehmung – kann durch eine eingeschränkte Atmung und chronische Anspannung beeinträchtigt werden. Viele Menschen erleben sich dann wie „abgeschnitten vom Bauch“ oder berichten, sie könnten sich „nicht mehr entspannen“.
Menstruation unter Spannung
Für menstruierende Menschen kommt ein weiterer Aspekt hinzu. Der Iliopsoas steht in enger Verbindung zum Beckenraum – über die Faszien, die Bauchorgane und über das vegetative Nervensystem.
Wenn dieser Bereich dauerhaft angespannt ist, kann das den Plexus hypogastricus beeinflussen – jenes Nervengeflecht, das Uterus, Ovarien und Blase mitsteuert. Ein verkürzter Iliopsoas kann die Durchblutung im Beckenraum reduzieren und die Schmerzwahrnehmung erhöhen. In der Folge können sich Menstruationsbeschwerden verstärken, insbesondere krampfartige Schmerzen und Druckgefühle.
Auch emotional kann sich dieser Zustand bemerkbar machen: Das vegetative Gleichgewicht ist gestört, der Parasympathikus wird gehemmt – Entspannung, Loslassen, innere Ruhe werden schwerer zugänglich.
Fazit
Ein verkürzter Iliopsoas ist kein isoliertes Muskelproblem. Er wirkt auf Haltung, Atmung, Nervensystem und emotionale Regulation. Gerade für menstruierende Menschen kann diese Spannung zusätzliche Belastungen mit sich bringen – körperlich wie psychisch.
In der Bodymind Therapy wird gezielt und bewusst mit diesem tiefen Muskel gearbeitet – nicht nur durch manuelle Techniken, sondern auch durch achtsame Bewegung, Atemarbeit und das Einbeziehen emotionaler und biografischer Themen. Der Iliopsoas wird dabei als Zugang verstanden zu innerer Sicherheit, Selbstwahrnehmung und der Fähigkeit, zwischen Anspannung und Loslassen zu differenzieren.
So entsteht Raum – im Körper, im Atem und im inneren Erleben.
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