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Warum Raufen emotionale Sicherheit stärkt – bei Kindern & Erwachsenen


Zwei Personen raufen auf der Matte beim Brazilian Jiu-Jitsu, eine greift das Bein der anderen aus der Bodenlage.


Raufen ist mehr als ein Spiel. Es ist eine uralte Form der körperlichen Begegnung, bei der Lebendigkeit, Spannung und Verbindung zusammenkommen.

Was auf den ersten Blick wild oder chaotisch erscheinen mag, kann in einem sicheren Rahmen zu einer tief heilsamen Erfahrung werden – nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene.

In der Bodymind-Therapie nutzen wir diese Art des "Play Fights", um Halt, Containment und klare Grenzen zu erfahrbar zu machen.

 

Körperliche Grenzerfahrung und Halt durch Kontakt


Kinder brauchen nicht nur liebevolle Nähe, sondern auch körperliche Erfahrung von Grenze. Wenn Erwachsene sich auf ein achtsames, spielerisches Raufen einlassen, bieten sie ihrem Gegenüber etwas sehr Wertvolles: spürbaren Widerstand, eine Antwort im Kontakt, ein klares "Da bin ich".

Genau darin liegt eine der tiefen Wirkungen: Das Gegenüber spürt sich selbst besser – durch die Begrenzung.


In der Eltern-Kind-Dynamik wird durch bewusstes, respektvolles Raufen ein Raum geschaffen, in dem Kinder ihren Körper kennenlernen, ihre Kraft regulieren und lernen, wann genug ist.

Studien, wie das Projekt „Faires Raufen“ der Caritas in Nürnberg, zeigen, dass Kinder in diesen Situationen ihre emotionale Regulation verbessern, ihr Selbstbewusstsein stärken und soziale Kompetenzen entwickeln – vorausgesetzt, das Spiel ist klar gerahmt und freiwillig.

 

Containment: Körperlicher Rahmen für emotionale Prozesse


Im Körperpsychotherapie-Kontext sprechen wir oft vom "Containment" – der Fähigkeit, emotionale Zustände zu halten, ohne von ihnen überflutet zu werden. Beim Raufen wird dieses Containment nicht nur sprachlich oder psychologisch angeboten, sondern ganz konkret: durch Körper, Präsenz, Halt.


Ein spielerisches Kräftemessen zeigt Grenzen auf, erlaubt das Ausdrücken von Aggressionen ohne Zerstörung und schafft Raum für Spontanität. Dabei entsteht ein Feld, in dem intensive Gefühle erlaubt sind – aber nicht ins Bodenlose fallen.

Erwachsene übernehmen hier eine regulierende Rolle: Sie bieten Sicherheit und gleichzeitig Spielraum. Das kann für Kinder ein korrigierendes Beziehungserlebnis sein – gerade wenn sie in der Vergangenheit entweder zu wenig körperlichen Halt oder zu viel unkontrollierte körperliche Gewalt erfahren haben.

 

Der innere Vater als Archetyp für Struktur, Grenze und Orientierung


Die Funktion von Struktur, Orientierung und gesunder Begrenzung wird im therapeutischen Raum oft mit dem Archetyp des inneren Vaters verbunden. Dabei geht es nicht um Geschlechterrollen, sondern um eine innere Instanz, die Schutz bietet, Klarheit schafft und Halt gibt.

Dieser innere Vater zeigt sich durch Präsenz, ruhige Kraft, klare Linien – auch im Spiel. Wenn Erwachsene in dieser Haltung raufen, werden sie zu einem Spiegel für diesen archetypischen Anteil im Gegenüber. Besonders in bindungsbasierten Settings kann dies helfen, ein fehlendes oder schwaches inneres Bezugssystem nachzureifen.

 

Auch Erwachsene brauchen Spielräume für gesunde Aggression


Raufen heilt nicht nur Kindheit, sondern auch das Jetzt. Viele Erwachsene tragen ungenutzte Spannung in sich – Emotionen, die nie einen gesunden Ausdruck gefunden haben. In einem sicheren Setting, etwa im therapeutischen Play Fight oder im bewussten, konsensbasierten Körperkontakt, kann diese Energie in Bewegung kommen.


Raufen mit Achtsamkeit bedeutet:

  • Ich darf Druck ausüben und Druck erhalten.

  • Ich darf testen, ob mein Gegenüber da bleibt, wenn ich mich zeige.

  • Ich darf loslassen, wenn es zu viel wird – und werde trotzdem gehalten.

Diese Erfahrung wirkt auf das Nervensystem regulierend und unterstützt die Selbstregulation über die körperliche Ebene.

 

Raufen als therapeutischer Raum


In der Bodymind-Therapie sehen wir das Raufen als Zugang zu einem verkörperten Dialog. Es geht nicht um Gewinnen oder Verlieren, sondern um Kontakt, Regulierung und Grenzerfahrung. Es ist ein Ort, an dem Beziehung sich durch Bewegung ausdrückt – und durch Berührung auch dort Heilung ermöglicht, wo Worte allein nicht ausreichen.

 

Vielfältige Spielräume für Erwachsene


Auch im Alltag gibt es viele Möglichkeiten, diesen Körperkontakt bewusst zu kultivieren:


  • Kampfkünste wie Judo, Brasilian Jiu-Jitsu oder Ringen, die auf Achtsamkeit und Respekt basieren

  • Kontaktimprovisation und Tanzformate mit physischem Dialog

  • Bewegungstherapeutische Gruppen, die Play Fight-Elemente integrieren

  • Paarübungen in sicheren, achtsamen Settings (z. B. im Rahmen von Beziehungsarbeit oder Körperarbeit)

  • Raufgruppen für Erwachsene, wie sie in manchen körpertherapeutischen Kreisen praktiziert werden

  • Spielerische Körperarbeit in Freundschaft, Familie oder Gruppen, mit klaren Regeln und achtsamem Rahmen


Fazit

Raufen kann ein verkörperter Weg zu Vertrauen, Sicherheit und Regulation sein – wenn es bewusst, respektvoll und freiwillig geschieht. Es bietet Halt durch Körper, klare Grenzen und das Erleben von Kraft – im Kontakt.

Ob in der Arbeit mit Kindern oder im Erwachsenenalter: Play Fight ist eine Einladung, Körperkontakt neu zu erfahren – als Spiel, als Regulation, als Heilung. Und: als Spiegel für den inneren Vater, der uns Struktur, Orientierung und Schutz gibt – nicht als Rolle, sondern als kraftvoller Archetyp in uns allen.

 

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